Liebe Leser*innen,
es gibt so Menschen, für die kann ich mich auf den Kopf stellen und trotzdem haben sie immer noch etwas auszusetzen. Für sie werde ich - egal was ich tue - niemals gut genug sein. Und es ist gar nicht so leicht, sich davon frei zu machen. Ich kann für eine Sache von 99 Leuten gelobt und gefeiert werden, aber diese eine Person, die etwas auszusetzen hat, die bleibt im Gedächtnis und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Einfach nur weil unsere Vorstellungen vollkommen entgegengesetzt sind. Wenn ich mich an dieser einen Person dann aufhänge, mich von ihr verunsichern lasse und Dinge an mir ändere, die ich eigentlich mag, dann kann es nur schief gehen.
Denn es wird nie gut genug sein. Und am Ende verliere ich mich selbst dabei.
Manchmal bin ich auch selbst diese Person, die immer etwas an mir auszusetzen hat. Die immer denkt, es könnte noch besser sein. Da stehe ich mir mit meinem eigenen Perfektionismus regelrecht selbst im Weg, weil ich die Ansprüche so hoch setze, dass ich sie niemals erreichen kann.
Zumindest davon habe ich persönlich gelernt mich freizumachen. Und zwar durch eine Form des sogenannten Pareto-Prinzips. Das besagt, dass man mit 20 Prozent
Arbeitsaufwand ein 80-prozentiges Ergebnis erzielen kann. Nicht perfekt, aber gut. Wenn ich allerdings ein 100-prozentiges Ergebnis möchte, muss ich demnach 80 Prozent mehr Aufwand betreiben. Und dann fehlt mir hinten und vorne die Zeit.
Deswegen gebe ich mich in der Vorbereitung mit den 80 Prozent zufrieden und lege die 20 Prozent, die es perfekt machen würden, in Gottes Hand.
Denn ich habe es schon so oft erlebt, dass durch Unvorhersehbares, wie Sonnenstrahlen, Wind, Kinder oder spontane Einfälle, die Dinge eine ganz neue Dimension und Tiefe bekommen, die ich so niemals hätte vorbereiten können. Sie sind Geschenke Gottes, auf die ich mich gerne einlasse. Deswegen bemühe ich mich, nie verbissen an meinen Plänen zu hängen, sondern immer auch Raum für Gott zu lassen.
Ich bin und bleibe nur ein Mensch. Ich kann nicht immer alles perfekt machen. Und ich muss es auch nicht. Auch für Gott nicht. Er ist kein Buchhalter, der eine Strichliste über all die guten Dinge führt, die ich tue oder der Fleißsternchen verteilt für Gottesdienstbesuche oder ähnliches. Für Gott muss ich keine To-do-Liste abhaken.
Für Gott bin ich gut genug. Einfach nur, weil ich bin. Ohne, dass ich irgendetwas geleistet habe. Weil er mich bedingungslos liebt. Das zumindest ist mein Bild von Gott. Es ist das, was ich aus seinem Evangelium, seiner frohen und frohmachenden Botschaft lese. Kein Leistungsdruck, sondern einfach pure Liebe.
Nehmen Sie nur einmal das Gleichnis vom verlorenen Sohn: Der jüngere Sohn, der alles verschleudert hat und selbst sagt, dass er nicht gut genug ist, um weiterhin den Titel des Sohnes tragen zu können, wird vom Vater mit offenen Armen empfangen.
Das mag aus Sicht des älteren Sohnes zutiefst unfair erscheinen, aber wenn ich selbst mal in der Situation des jüngeren Sohnes war, wo ich mich verrannt habe und mir absolut wertlos vorgekommen bin, dann weiß ich auch wie wertvoll diese offenen Arme sind.
Mir ist dieser Tage wieder ein älteres und eher unbekanntes Lied von Peter Maffay über den Weg gelaufen. Es heißt: "Dafür dank ich dir" und das Ende des Liedes geht wie folgt:
"Du gabst mir alles was ich hab, gabst den besten deiner Söhne für uns hin. Ich weiß, dass ich zu wenig gab. Aber du verzeihst mir und vergisst, was ich dir schuldig bin. Dafür dank ich dir. Mein Gott in deiner Ewigkeit räumst du mir den Augenblick eines Menschenlebens ein. Dafür dank ich dir. Ich weiß, es gibt zu wenig Zeit für das Unglück und das Glück ein verlorner Sohn zu sein."
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich selbst mit Gottes Augen sehen können.
Dass Sie in den Spiegel schauen und sagen können: Ja, ich bin gut genug, einfach nur, weil ich bin. Egal was andere sagen.
Und dann lassen Sie ruhig mal Fünfe gerade sein, geben Sie sich mit den 80 Prozent zufrieden und legen den Rest in Gottes Hand.
Ihre Pastoralreferentin Sandra Lohs