iebe Schwestern und Brüder,
Eine kleine Geschichte vorweg:
Es war einmal ein kleines Licht.
Es brannte schwach, fast unscheinbar, kaum größer als die Flamme einer Kerze.
Ringsum: Dunkelheit.
Einer fragte: „Was sollst du schon bewirken? Schau dich doch um – überall Finsternis.“
Doch das Licht antwortete nicht.
Es brannte einfach weiter.
Und da – plötzlich war ein Gesicht zu erkennen.
Dann ein Weg.
Ein Schritt wurde gewagt.
Ein zweites Licht wurde entzündet.
Und dann noch eines.
Was eben noch Dunkelheit war, wurde heller.
Nicht Tag – aber Hoffnung.
Der Herbst bringt ja jetzt wieder kürzere Tage, es wird dunkler, draußen und manchmal auch im Inneren.
Das Laub fällt, das Jahr verneigt sich langsam vor dem Winter. Und doch ist gerade jetzt der Herbst voller Lichter:
– An Allerheiligen leuchten Kerzen auf Gräbern: Erinnerungslichter, die über den Tod hinaus weisen. Ich finde dieses Lichtspiel immer so beeindruckend, dass ich gern an diesem Abend Friedhöfe besuche, auch wenn ich dort keine Angehörige habe.
– An St. Martin tragen Kinder Laternen durch die Straßen, kleine mutige Flammen der Nächstenliebe. Es ist eine Tradition, die gerade Kinder seit Generationen fasziniert und die ohne Worte vieles zum Ausdruck bringt.
– Im Advent werden wir Kerzen anzünden, ein Licht mehr jede Woche, gegen das Dunkel der Welt und des Herzens.
Und natürlich kommen gewiss noch unzählige Dekolichter dazu, die dem Zuhause eine gewisse Heimeligkeit vermitteln, das tut in dieser tristen Zeit ja auch gut.
Dunkelheit ist für viele nichts Schönes. Sie macht verletzlich. Man weiß nicht, was um einen herum geschieht, man sieht nicht, wo man möglicherweise stolpern kann, sie verunsichert einfach.
Es gibt aber nicht nur die Dunkelheit von außen, sondern eben auch die von innen. Gerade in den aktuell so unfriedlichen Zeiten schauen viele Menschen mit Sorge in die Zukunft.
Werden wir noch in Frieden leben können, wird unser Land noch stabil sein, werde ich mir in Zukunft überhaupt noch etwas leisten können, wenn alles immer teurer wird? Solche Fragen quälen und konkrete Antworten kann niemand geben.
Da müssen wir schon so manches aushalten, auch wenn das nicht einfach ist.
Aber auch gesundheitliche Entwicklungen bei sich selbst oder in der Familie können manchmal das Leben dunkel werden lassen und man weiß einfach nicht mehr weiter.
Ich bin mir sicher, die Älteren unter Ihnen kennen noch den Text, der mit den Worten beginnt: „Immer, wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Er hängt auch im Schlafzimmer meiner Eltern und ist mir seit langem sehr vertraut. Ich hab ihn früher als eher naiven Vertröstungsspruch gesehen, den ich nicht so ganz ernst nehmen konnte.
Aber ich will die Bedeutung dieser Worte heute nicht verkennen: es kann trostreich sein, wenn ich bei aller Dunkelheit nicht noch den Kopf in den Sand stecke, sondern auch Ausschau halte nach einem Licht, das mir in meiner aktuellen Finsternis hilfreich sein und einen neuen Weg weisen will.
Beim Thema „Licht“ gibt es ja in der Bibel zahlreiche Stellen. Ich denke da an die Geburt Jesu, wo den Hirten, die oftmals ein trostloses Leben führen mussten, so ein Hoffnungsschimmer erschien und sie ermutigte, aufzubrechen und das Kind im Stall zu suchen.
Auch die kleine Geschichte am Anfang meines Textes will mehr sein als nur ein Trostspruch: sie ist eine Aufforderung. Sie sagt uns allen zu: bei aller Dunkelheit, die herrscht – sei DU ein Licht.
Ein Licht für Menschen, die einsam sind und sich auf einen Besuch von dir freuen.
Ein Licht von Menschen, die mutlos sind und auf ein Wort warten, das sie aufbaut.
Ein Licht für Menschen, die von Hass erfüllt sind und die liebevolle Botschaft Jesu von Frieden und Versöhnung gar nicht kennen.
Ein Licht für Menschen, die…
Ich glaube, die Liste lässt sich gewiss noch erweitern.
Der Herbst ist eine dunkle Zeit, keine Frage. Es tut gut, da immer wieder ein Licht zu sehen, das mich aufhellt, das meine Laune hebt, das mir neuen Mut schenkt. Die Dunkelheit des Herbstes lädt aber auch ein: sei DU ein Licht, dass es im Herzen eines anderen leuchten kann.
Ich wünsche eine lichtreiche Zeit
Ihr Pfr. Michael Erhart

